Fürsorge und Treue in kritischen Zeiten

Die Heilige Familie

           An Weihnachten feiern wir, dass Gott Mensch, dass Gott ein Kind geworden ist. So ist Weihnachten das Fest der Kinder. Die süßen Kleinen mit den großen Augen, die noch unschuldig staunen und sich freuen können, rühren die Herzen. Wer irgendwie kann, feiert mit der Familie - oder flieht sie ganz bewusst.

Am Sonntag nach Weihnachten feiert die Kirche das Fest der Heiligen Familie.

„Heilige Familie", heißt das „Familienidyll", „Bilderbuchfamilie"? „Heilige Familie", bedeutet das „heile Familie"? Eine Familie, weit entfernt von unseren Sorgen und Nöten? Ganz und gar nicht!

Maria, Josef und Jesus sind von den Härten des Lebens keineswegs verschont geblieben. Im Gegenteil! Sie haben Not und Leid voll zu spüren bekommen.

Da ist zunächst die Schwangerschaft Mariens, welche die beiden Verlobten in eine große Beziehungskrise stürzt. Josef ist nicht der Vater des Kindes und soll trotzdem die Vaterrolle und damit Verantwortung übernehmen.

Dann folgt die Herbergssuche, verschlossene Türen, verschlossene Herzen. Schließlich die Geburt in einem armen Stall. Dann die Flucht vor Herodes. Nachts auf die Straße, über die Grenze, in ein fremdes Land.

„Familie“ lässt die wenigsten kalt. Man ersehnt ihre Liebe, genießt, wenn möglich, ihre Wärme oder stöhnt unter den Menschen, denen man verbunden ist, die man sich aber nicht selbst aussuchen konnte. Es gibt die innigen Momente der Zusammengehörigkeit. Es gibt genauso die Zerreißproben zwischen Ehepartnern oder den Eltern mit ihren heranwachsenden Kindern. Und wenn die Eltern älter und gebrechlicher werden, sind wieder die erwachsenen Kinder gefragt. Da sind Sorgen, Organisieren-Müssen, schlechtes Gewissen und Überforderung an der Tagesordnung. Meiner Beobachtung nach gibt es heile Familien eher selten.

Jesus, Maria und Josef als heilige Familie ist weniger eine Erfindung der Bibel als der Kirche in der Zeit der Gegenreformation, die verstärkt im 19. Jahrhundert verbreitet wurde, als das Ideal der bürgerlichen Familien in Europa in den Mittelpunkt rückte. Seither haben sich Familienformen vielfältig gewandelt. Heute entsprechen sie oft nicht mehr der kirchlichen Lehre. Da ist es um so erfreulicher, dass sich zum ersten Mal überhaupt ein Papst in diesen Tagen dafür interessiert, wie Familien leben und was sie von den kirchlichen Lehren halten. Die Antworten einer Umfrage wurden bei den Bischöfen gesammelt und für einen päpstlichen Kongress zur Familienpastoral im Herbst aufbereitet. Wir dürfen gespannt sein, was wir darüber noch hören und lesen werden.

Die Erzählung im Matthäus-Evangelium ist keine süße Kindergeschichte

vom Knaben mit lockigem Haar, keine romantische Familiengeschichte. Matthäus erzählt vielmehr von Lebensgefahr, von Flucht und schließlich Heimkehr nach Israel. Das Jesuskind, so erzählt es uns Matthäus, ist gleich nach seiner Geburt gefährdet. König Herodes, der fürchtet, seinen Thron an einen neugeborenen König der Juden zu verlieren, will Jesus töten lassen. Damit das nicht passiert, greift Gott ein. Er braucht dazu einen Engel, der Josef im Traum sagt, was zu tun ist, und er braucht dazu Josef, der dem Traum vertraut und danach handelt. Josef ergreift die Initiative und flieht nach Ägypten. Er wird aktiv, aber ganz als Werkzeug Gottes. Die Rückkehr nach Israel vollzieht sich wieder so wie die Flucht: ebenfalls durch einen Befehl des Engels Gottes an Josef im Traum.

In der Erzählung des Matthäus wird der kleine Jesus ähnlich wie der junge Moses geschildert. Die des Alten Testaments kundigen Hörerinnen und Hörer des Matthäus wissen damit gleich: hier kommt einer wie Moses. Auch das Leben des kleinen Moses hing am seidenen Faden, war er doch in einem Binsenkorb ausgesetzt. Auch er wurde gerettet und führte sein Volk aus Ägypten in das gelobte Land. Wenn Jesus also aus Ägypten zurückkommt, so hören es die jüdischen Gemeindemitglieder des Matthäus, ist er wie ein neuer Mose, der sein Volk in die Freiheit führt, mithin ein Hinweis darauf, dass er der verheißene Retter, der Messias ist.

Wie der kleine Mose braucht auch der neugeborene Jesus Hilfe.

Und hier wird aus der Gottesgeschichte eine Menschengeschichte. Hier tritt Josef , der sonst in der Bibel wenig vorkommt, ins „Rampenlicht“. Er lässt sich von Gott etwas sagen und handelt danach. Er schützt seine Familie vor Gefährdungen, indem er mit Maria und Jesus nach Ägypten flieht. Damit muss er die zweite schwere Entscheidung seines Lebens fällen. Erinnern wir uns: Am 4. Advent hören wir, wie er, einem Traum vertrauend, sich dazu durchringt, Maria zu seiner Frau zu nehmen, obwohl er weiß, dass er nicht der Vater ihres Kindes ist. Nun stellt er sich erneut zu den beiden und nimmt das Los eines Flüchtlings auf sich. Wie schwer so ein Leben ist, wissen manche aus eigener Erfahrung, die alles zurücklassen und aus der Heimat fliehen mussten. Ein wenig können wir erahnen, wenn wir Bilder sehen, wie Menschen aus Kriegs- oder Hungergebieten fliehen, oder wenn wir uns trauen, auf Flüchtlinge bei uns zuzugehen. Josef nimmt viel auf sich, obwohl er es sich auch hätte leichter machen können.

Solche Fürsorge und Treue in kritischen Zeiten machen ihn und seine Familie zu Vorbildern für heutige Familien. Es gilt zueinander zu stehen, Verantwortung zu übernehmen und vor allem Kinder vor Gefährdungen zu schützen.

Heutige Gefährdungen sind zum Teil die gleichen wie damals. Es gibt immer noch Kinder, deren Leben bedroht ist durch Krieg, Gewalt, Hunger, schlechte medizinische Versorgung. Es gibt auch Kinder, die gefährdet sind, weil sich niemand um sie kümmert, Kinder, die nie erlebt haben, dass sie wichtig sind, möglicherweise 

  weil ihre Eltern mit ihrer eigenen Situation oder mit ihren Kindern überfordert sind. Es gibt auch Kinder, die gefährdet sind, weil sie zu viel Aufmerksamkeit erhalten, weil sie alles dürfen und bekommen, was sie wollen und ihnen keiner sagt und zeigt, wie sie im Leben wirklich zurechtkommen können.

Vielleicht kann uns das Evangelium das lehren : Kinder brauchen Erwachsene, die ihnen tatkräftig helfen, wenn sie in Gefahr sind. Sie brauchen so jemanden wie Josef, der Gefahren erkennt und dann das Richtige tut. Wie Josef müssen Erwachsene aber nicht alles selber wissen. Josef hatte seinen Engel Gottes, der ihm im Traum sagte, was zu tun ist. Dem vertraute er. Vielleicht haben auch wir alle auf die eine oder andere Art einen Engel, der uns sagt, was richtig ist. Josef hat auf den Engel gehört. Höre ich auf meinen Engel? Hören Sie auf Ihren Engel?…

 

Wir wünschen Ihnen und ihren Familienangehörigen viel Mut zu Veränderung, damit Sie ein Stück mitwirken die Welt zu verändern - durch das Kind, das uns in Bethlehem ganz nahe gekommen ist.

 

 

Eine gnadenreiche Adventszeit und

ein frohes und gesegnetes Weihnachtsfest

sowie Gottes Segen für 2019

wünschen Ihnen

Pfarrer Hans-Jürgen Wenner und Justyna Beer

 

 

 

 

Kpl. Weihnachstpfarrbrief 2018 als pdf


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